Ermessensspielräume und wirtschaftsfreundliches Verwaltungshandeln – Aufgabenpriorisierung des Ordnungsamts
Anfrage an den Bürgermeister
02.07.2025 Anfrage FDP-Fraktion Kerpen

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Spürck,
die Belebung unserer Innenstädte, insbesondere durch Gastronomie und Einzelhandel, ist erklärtes Ziel der Stadt Kerpen. Dennoch erreichen die FDP-Fraktion immer wieder Hinweise auf strukturelle Hürden im Zusammenspiel zwischen Verwaltung, Gewerbetreibenden und Bürgern. Dabei stehen weniger die gesetzlichen Grundlagen als vielmehr deren konkrete Auslegung und Umsetzung im Fokus der Kritik.
Vor diesem Hintergrund bittet die FDP-Fraktion im Rat der Kolpingstadt Kerpen um die Beantwortung der folgenden Fragen:
- Ermessensspielräume im Verwaltungshandeln
- Welche dienstlichen Vorgaben oder Handlungsrichtlinien bestehen für die Mitarbeitenden des Ordnungsamtes hinsichtlich der Ausübung von Ermessensspielräumen, insbesondere in Fällen geringfügiger Abweichungen im Bereich der Außennutzung, Anlieferung, Sondernutzung oder Beschilderung?
- Inwieweit wird die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in die Entscheidungspraxis einbezogen – insbesondere, wenn keine unmittelbare Gefährdung oder nachhaltige Störung des öffentlichen Raums gegeben ist?
- Anwendung des Opportunitätsprinzips
- Gilt das Opportunitätsprinzip auch für ordnungsrechtliche Maßnahmen im gewerblichen Bereich, und wenn ja: Welche Handreichungen oder internen Entscheidungsgrundlagen gibt es hierzu?
- Wie wird das Verwaltungshandeln in Bezug auf wirtschaftlich tätige Akteure konkret priorisiert? Gibt es interne Standards, wann eingeschritten wird und wann nicht?
- Wie stellt die Verwaltung sicher, dass sich das Vorgehen des Ordnungsamts durch Augenmaß, Pragmatismus und Gleichbehandlung auszeichnet?
- Aufgabenverteilung, Prioritäten und Personalressourcen
- Welche konkreten Aufgabenfelder werden durch die Mitarbeitenden des Ordnungsamtes derzeit abgedeckt?
- Welche Priorisierung erfolgt bei der täglichen Arbeit – insbesondere vor dem Hintergrund begrenzter Personalressourcen, die von der Verwaltung selbst regelmäßig als Herausforderung kommuniziert werden?
- Wie wird bei der Einsatzplanung zwischen verschiedenen Ordnungswidrigkeiten (z. B. wildes Parken bei Warenanlieferung, Müllablagerungen, Ruhestörungen, Sondernutzungsverstöße) gewichtet?
- Welche Maßnahmen wurden in der Vergangenheit ergriffen, um Verwaltungsressourcen durch intelligente Ermessensausübung gezielt und effizient einzusetzen?
Begründung
Die FDP-Fraktion steht für eine bürger- und wirtschaftsfreundliche Verwaltung, die gesetzliche Regeln durchsetzt – dabei aber stets Maß und Mitte wahrt. Die Entwicklung von Innenstadt und Gewerbestandorten hängt entscheidend davon ab, ob die Verwaltung als Ermöglicher auftritt oder als Hürde wahrgenommen wird.
Insbesondere das Ordnungsamt nimmt hier eine Schlüsselrolle ein. Die Art und Weise der Kontrolle und Durchsetzung – sei sie dialogorientiert oder strikt formalistisch – hat unmittelbaren Einfluss auf den Charakter der Stadt, das Investitionsklima, auf die Stimmung bei Bürgern und Gewerbetreibenden und letztlich auf die Attraktivität des Standorts Kerpen.
Zugleich ist bekannt, dass die Stadt Kerpen unter dauerhaft angespannten Personalsituationen leidet. Umso wichtiger ist es, bestehende Ressourcen klug und verhältnismäßig einzusetzen. Eine konsequente Anwendung des Opportunitätsprinzips sowie klar formulierte Ermessenstoleranzen könnten dazu beitragen, sowohl Verwaltungsaufwand zu reduzieren als auch die Akzeptanz der Maßnahmen zu stärken.
Antwort der Verwaltung:
Das Ermessen ist gesetzlich geregelt. Es findet immer Anwendung, wenn die jeweils einschlägige Rechtsgrundlage für den jeweiligen Sachverhalt dies vorsieht.
Neben der Entscheidung, ob die zuständige Behörde eingreift, ist auch das „wie“ und „gegen wen“ zu beachten. Hierbei wird stets unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände des Einzelfalls das Ermessen ausgeübt.
Durch regelmäßigen internen Informationsfluss sorgen die Mitarbeitenden dafür, dass die im Stadtgebiet getroffenen Maßnahmen gegenseitig überprüft und ggf. besprochen werden, beispielsweise in Dienstbesprechungen oder persönlichen Rücksprachen. So kann die zuständige Behörde in gleichgelagerten Fällen möglichst gleich entscheiden. Hiermit wird dem Gleichbehandlungsgrundsatz („Gleiches gleich, Ungleiches ungleich“) Rechnung getragen.
Eine Priorisierung erfolgt bei knappen Personalressourcen grundsätzlich danach, wie die Gefahr bzw. Störung hinsichtlich der gefährdeten Rechtsgüter zu bewerten ist. Sachverhalte, in denen beispielsweise die hochwertigsten Individualrechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit gefährdet sind, werden selbstverständlich Sachverhalten vorgezogen, in denen „nur“ eine Ordnungswidrigkeit begangen wird. Die Priorisierung erfolgt in solchen Fällen spontan und unverzüglich, sobald derartige Sachverhalte bekannt werden. Bestimmten Sachverhalten wird auch überhaupt nicht nachgegangen. Dies kann auch Ausfluss der Ermessensausübung bei fehlenden personellen Kapazitäten sein.
Zudem gab es laut Verwaltung im Stadtgebiet zahlreiche Sachverhalte, in denen die Verwaltung – auch das Ordnungsamt – wirtschaftsfreundlich handelte, wenn es die gesetzlichen Grundlagen und die Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Ermessensausübung hergaben.